2 Sprachwissenschaftliche Grundlagen

2.1 Traditionen der europäischen Linguistik

Die Wurzeln sprachwissenschaftlicher Forschung lassen sich bis in die Antike zurückverfolgen. Die aus dieser Zeit tradierten Vorstellungen bestimmten jahrhundertelang das Bild der eurozentristisch bzw. indoeuropäisch orientierten Sprachwissenschaft. Lyons meint sogar, daß "sich eine kontinuierliche Entwicklungslinie von Plato und den Sophisten bis herauf zu den mittelalterlichen Scholastikern verfolgen läßt"8. Er akzeptiert allerdings auch die herausragende Rolle einzelner Grammatiker. Insbesondere sei erwähnt, daß die griechischen Philosophen (die Grammatik wurde als Teil der Philosophie betrachtet) bereits um das fünfte Jh. v. Chr. die entscheidende Frage nach der Notwendigkeit eines Zusammenhanges zwischen der Bedeutung eines Wortes und seiner Gestalt aufwarfen. Diese Dichotomie, die auch als Gegensatz von Natur und Konvention9 bekannt ist, beherrschte die grammatische Diskussion für Jahrhunderte und ist für die weitere Entwicklung der Sprachwissenschaft insofern von Bedeutung, daß sie den Anstoß zu weitreichenden, nach heutiger Terminologie etymologischen, Untersuchungen gab. In der weiteren Diskussion (ab ca. dem zweiten Jh. v. Chr.) verschob sich der Schwerpunkt in Richtung der Frage nach der allgemeinen Regelhaftigkeit der Sprache. Nach den griechischen Wörtern für Regelhaftigkeit und widrigkeit wurden die Vertreter dieser Strömungen Analogisten und Anomalisten genannt. Aus heutiger Sicht kann der Disput zwischen diesen Strömungen hauptsächlich aus zwei Perspektiven kritisiert werden. Die eine begründet sich im Fehlen einer allgemein (d.h. von beiden Seiten) anerkannten Modelltheorie; ob regelkonform oder widrig war vor allem eine Frage des Standpunktes. Die zweite Kritik setzt an der mangelnden Unterscheidung zwischen normativer und präskriptiver Grammatik an. Die Diskussion zwischen diesen beiden Ansätzen gilt bis heute als nicht entschieden10, soll hier jedoch nicht weiter verfolgt werden. Insbesondere für bestimmte, bis heute nicht ausgeräumte, irrige Auffassungen in der Sprachwissenschaft ist die alexandrinische Schule verantwortlich. Dort begannen um das 3. Jh. v. Chr. mit der Errichtung der großen Bibliothek die Bemühungen, durch Vergleiche verschiedener überlieferter Fassungen von Manuskripten der älteren Autoren die Originaltexte wiederherzustellen. Begründet aus dieser philologischen Tätigkeit, entstanden hier zwei überaus problematische Ansichten. Erstens wurde die geschriebene Sprache als primär empfunden, daß heißt der mündlichen Sprache insbesondere in Fragen der "Richtigkeit" vorgezogen. Zweitens entstand die Auffassung, daß die Sprache der alten Autoren korrekter wäre als die Umgangssprache der alexandrinischen Zeit. Daraus wurde die Aufgabe konstruiert, daß es dem Gelehrten zukäme, die Reinheit der Sprache durch vorbildlichen Sprachgebrauch zu erhalten. Diese Ansichten sollten sich mehr als 2000 Jahre halten. Die ebenfalls aus dieser Epoche stammende "griechische Grammatik" hatte und hat ebenfalls großen Einfluß auf die weitere Entwicklung der Sprachwissenschaft ausgeübt. Insbesondere auch die Übernahme der griechischen Ansätze für die Beschreibung der lateinischen Grammatik zementierte für lange Zeit die Überzeugung, daß die Grundkategorien dieser Sprachen universale und notwendige Sprachkategorien seien. Diese Haltung bereitete nicht nur schon bei der Erforschung der europäischen Sprachen Probleme, sondern verstellte auch lange Zeit die Sicht auf die außereuropäischen Sprachen, denen von den Grammatikern lange Zeit eben diese "Primärkategorien" aufgezwängt wurden.
Die Scholastik des Mittelalters verfeinerte die vorliegenden grammatischen Analysen, beschäftigte sich jedoch weiterhin vorwiegend mit dem damals in gelehrten Kreisen vorherrschenden Latein. Dieser Fakt läßt sich aus der Bedeutung der Kirche und deren Bildungsdogmatik ableiten. Die Grammatik sowie die weitere Beschäftigung mit Sprache hatte vor allem den Zweck des Sprachunterrichts zu erfüllen. Daher exisitieren zahlreiche mehr oder weniger gelungene Grammatiken. Außerdem war die Sprachwissenschaft dieser Zeit eine wichtige Hilfe bei der Bibelexegese.
Erst in der Renaissance ist ein bemerkenswerter Anstieg des Interesses an den europäischen Vulgärsprachen zu verzeichnen. Bei der Beschäftigung mit diesen Sprachen wurden die oben skizzierten Einstellungen und Werte und natürlich auch die lateinische Grammatik mit übernommen, "Sprache bedeutete ... Literatursprache, und Literatur bedeutete ... das Werk der 'besten Autoren'..."11. Als einzige nicht von der traditionellen Grammatik12 beeinflußte Theorieströmung ist die indische Grammatik zu erwähnen, die wohl insbesondere in der Absicht betrieben wurde, Text und Aussprache der Vedischen Hymnen zu erhalten, deren exakte Rezitation in den Bräuchen des Hinduismus eine entscheidende Rolle spielte. Als grundlegendes Werk gilt die Regelsammlung von Panini, die Sutras, deren 4000 Paragraphen auch heute noch als mustergültig bzgl. Vollständigkeit und Ökonomie gelten. Panini schuf damit die erste (uns bekannte) Grammatik einer natürlichen Sprache, als basierend auf einem auf die Zeit vom 12. bis 8. Jh. v. Chr. zu datierenden Korpus, bestehend aus Glossaren und Kommentaren zu den Vedischen Hymnen.13 Besonders in der Entwicklung der Sprachwissenschaft des 19. Jh. spielten diese Theorie und deren Nachfolger vor allem für den wissenschaftlichen Fortgang der Phonetik eine wichtige Rolle.
Aus wissenschaftshistorischer Sicht wird der Beginn einer wissenschaftlichen Linguistik für das 19. Jh. angesetzt. Die damals vorrangig betriebene vergleichende und historische Sprachwissenschaft, die sich der Erforschung der Verwandschaftsbeziehungen zwischen Sprachen und Dialekten widmete, hat sich bis heute als bedeutender Teil der Linguistik erhalten. Aus diesen Forschungen entstammen die wichtigsten Grundlagen für alle heutigen Zweige dieser Wissenschaft.
Als wichtige Strömung innerhalb der vergleichenden Sprachwissenschaft sind die Junggrammatiker zu betrachten, denen ab ca. 1870 große Fortschritte in der Erklärung des Lautwandels in den indoeuropäischen Sprachen gelangen. Erwähnt seien hier Wilhelm Scherer und Karl Verner (nach dem das "Vernersche Gesetz" benannt wurde). Weitere von den Junggrammatikern postulierte Annahmen sind das Prinzip der Analogie und die Rolle der Entlehnung. Diese theoretischen Ansätze und Erklärungsmuster finden ihren Ursprung in den Naturwissenschaften, insbesondere bei Darwins Evolutionstheorie, nach deren Vorbild nun auch die Evolution der Sprachen im Mittelpunkt wissenschaftlichen Interesses stand.
Als grundlegendes Werk für die heutige Linguistik sind die "Cours de linguistique générale" von Ferdinand de Saussure zu betrachten, in denen tradierte Haltungen der früheren Sprachforschung gezielt verlassen werden. So wird hier erstmals anerkannt, daß der gesprochenen und nicht der geschriebenen Sprache Priorität zukommt. Begründet wird dies mit der Feststellung, daß die Rede älter und wesentlich weiter verbreitet ist als die Schrift. Desweiteren manifestierte sich die Erkenntnis, daß die Linguistik hauptsächlich als deskriptive und nur auf wenigen Sondergebieten als normative Wissenschaft zu betreiben sei. Damit ist hier gemeint, daß die reine Beschreibung der Sprache Vorrang vor dem Verfassen von Lehrgrammatiken u.ä. normativen Werken haben soll. Durch diese Unterscheidung konnte sich das Interesse vorurteilsfrei auf sprachliche Erscheinungen richten, die dem genormten Sprachgebrauch nicht entsprechen.14 Ebenfalls durch de Saussure wurde die Differenzierung zwischen diachroner und synchroner Sprachbeschreibung eingeführt, die auch den Wandel zwischen verschiedenen Forschungsschwerpunkten charakterisiert. So war die diachrone Beschreibung Hauptanliegen der Linguisten des 19. Jh., der historischvergleichenden Grammatiker, während sich die neu entwickelnden linguistischen Disziplinen des 20. Jh. vorwiegend mit sprachsynchron orientierten Problemstellungen befaßten und befassen. Die obigen Ausführungen sind relativ beliebige Einzelpunkte aus dem weiten Bereich der Sprachgeschichte und der Geschichte der Entwicklung der Sprachwissenschaft. Sie sollen illustrierend den die europäische Sprachwissenschaft prägenden Kontext darstellen. Dieser hat sich insbesondere bei der Erforschung nicht-indoeuropäischer Sprachen als hinderlich erwiesen, wurde doch durch ihn die unbelastete Herangehensweise an diese Sprachen erschwert bis unmöglich gemacht. Die Gründe dafür liegen insbesondere in den aus den griechischen und lateinischen Schulen tradierten grammatischen Ansprüchen, die bestimmte Eigenheiten dieser Sprachen als universell15 ansahen. Hierzu gehört u.a. das Kasussystem, dessen Bedeutung für die indoeuropäischen Sprachen insbesondere im sprachhistorischen Kontext enorm ist. Dessen Nicht Universalität mußte jedoch bald akzeptiert werden. Subtilere Ansätze haben sich jedoch bis in die heutige Forschung hinein gehalten. Erst relativ spät wurden wissenschaftliche Ansätze wie der von B.L. Whorf16 innerhalb der wissenschaflichen Gemeinschaft zumindest ernsthaft diskutiert.
Als besonders problematisch für das Indonesische erwies sich die standardisierte Wortartenbestimmung der indoeuropäischen Sprachen. Diese ist insbesondere von den während der holländischen Kolonialzeit forschenden Europäern auf die indonesische Sprache übertragen worden. Das ist ein Ansatz der sich einerseits im Bereich der Sprachvermittlung noch tolerieren läßt, andererseits sich allerdings für eine wissenschaftliche Beschreibung der Sprache als unhaltbar erwiesen hat. Ein zweites großes Problemfeld innerhalb der Erforschung des Indonesischen ist die Übertragung der in den indoeuropäischen Sprachen weitgehend anzutreffenden grammatischen Kategorien von Aktiv und Passiv auf das Indonesische.
Ziel dieser Ausführungen war es, einige Problemfelder in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der indonesischen Sprache aufzuzeigen. Daraus sollen im folgenden einige Einschränkungen bei der Betrachtung der Textbeispiele in Kapitel vier abgeleitet werden. Insbesondere sei hier nochmals auf das Problem der Wortartenbestimmung verwiesen. Dies ist in der linguistischen Literatur zur indonesischen Sprache bis heute ein ständiger Diskussionsgegenstand, zu dem aber immer wieder angemerkt wird, daß eine annehmbare Gesamttheorie zum indonesischen Wortschatz bis heute nicht existiert. Da dieses Problem nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist, muß in der praktischen Betrachtung auf einige Verfahren zur Korpusbearbeitung verzichtet werden. Dazu gehört u.a. die Klassifikation der Textbestandteile nach Wortarten. Im weiteren sollen einige Ansätze der modernen Sprachwissenschaft, die speziell für die Problematik persuasiver Texte aussagekräftig sind, untersucht werden.

2.2 Theoretische Grundlagen des Werbetextes

Die Literatur zu den sprachwissenschaftlichen Ansätzen zur Textklassifizierung und Bearbeitung liefert verschiedene interessante Herangehensweisen, auf die in den folgenden Unterkapiteln näher eingegangen wird. Auf generell festzustellende Problematiken in der vorliegenden Literatur macht beispielsweise Fock17 aufmerksam. Insbesondere wird darauf hingewiesen, daß die verschiedenen Erscheinungsformen, in denen Werbekommunikate auftreten, nicht genügend Beachtung finden, und daß es nur sehr wenige Arbeiten zu Einzelprodukten gibt.18 Desweiteren sollte die Prädestination bestimmter Erscheinungsformen für das jeweilige Produkt Beachtung finden.19 So eignet sich Direktwerbung (durch Vertreter) vor allem für Produkte mit hohem Investitionsaufwand, während z.B. Hörfunkwerbung als unspezifische Massenkommunikation vor allem für Verbrauchsgüter geeignet ist.
Ein weiterer zu berücksichtigender Punkt ist der der verwendeten Sprache aus sozialer Sicht, welcher für die Zuordnung der Zielgruppen eine wesentliche Rolle spielt. Die soziale Differenzierung der Sprache erfolgt in der Fachliteratur nach dem allgemeinen Bildungsstand.20 Dies ist für die untersuchten Anzeigen besonders im Hinblick auf die benutzten Sprachen und deren jeweilige Wertigkeit von Bedeutung. Das Englische spielt vor allem bei den auftretenden Slogans eine Hauptrolle. Hier kommen die stilistischen Funktionen, welche die sozialen Sprachvarianten haben,21 zum tragen. Die vertikale vs. horizontale Gliederung der Sprache, eine Unterteilung in sozial vs. territorial,22 kann in der vorliegenden Arbeit nur in ihrer vertikalen Ausprägung betrachtet werden, da das Korpus keine Möglichkeiten der Bestimmung territorialer Differenzen zuläßt.23 Allerdings ist auch die Feststellung der sozialen Schichtung im Zielpublikum der Anzeigen recht schwierig, da ein zwar recht eingeschränktes, aber in dieser Beschränkung homogenes Zielpublikum vermutet werden kann.24
Eine grobe Gliederung der Möglichkeiten zur Beschreibung von Werbetexten kann unter Berücksichtigung der oben genannten Faktoren so getroffen werden: Wie oben bereits ausgeführt, kann insbesondere auf die den 3. Punkt kaum eingegangen werden, zur Problematik des 5. Punktes siehe Kapitel 2.1. Die drei für eine sinnvolle Untersuchung verbleibenden Punkte werden im folgenden in den für sie möglichen theoretischen Annäherungen intensiver betrachtet, um dann im vierten Kapitel auf die Praxis Bezug zu finden.

2.2.1 Textlinguistik

Die Textlinguistik ist eine der neuesten Disziplinen der Sprachwissenschaft, obwohl auch sie natürlich auf Vorläufer in der Geschichte, insbesondere auf die Rhetorik, zurückgeführt werden kann,. Schon in dieser Disziplin fanden sich Regeln für die Bildung (bzw. das Verfassen) von Texten, deren Anwendung das Erreichen einer gewissen Zielintention erleichtern sollten. Allerdings war das Interessengebiet stark auf das pragmatische Ziel des Verfassens wirksamer Reden konzentriert. Weiterführende Forschungen ergaben sich erst mit dem Entstehen der Stilistik, aber auch diese hatte und hat ein stark eingeschränktes Forschungsinteresse, das sich insbesondere der deskriptiven Analyse von Einzeltexten verschrieben hat. Einflüsse auf die Entwicklung der Textlinguistik finden sich in der modernen Sprachwissenschaft vor allem innerhalb des amerikanischen Strukturalismus, so bei den "Discourse Analyses" von Z. S. Harris26 und in der "Tagmemik"27 von K. L. Pike28. Die deutsche Linguistik leistete ihren Beitrag zur Entstehung der Textlinguistik durch H. Brinkmanns Forschungen zu Pronominalisierungen29 und durch H. Weinrichs Untersuchungen zu Tempusverwendungen in verschiedenen Texttypen30. Von Weinrich wurde auch der Terminus "Textlinguistik" in die wissenschaftliche Diskussion eingebracht.
Die grundlegende Definition des Arbeitsbereiches der Textlinguistik stammt von Peter Hartmann, der 1968 Perspektiven und Aufgaben des Forschungsgebietes in 12 Thesen zu definieren versuchte. Darin schlägt er unter anderem vor: Die sich aus dieser Grundlegung schnell entwickelnden weiteren Ansätze sollen nur insofern betrachtet werden, wie sie für das Anliegen dieser Arbeit relevant erscheinen. Zur Abgrenzung des hier untersuchten Gegenstandes der Werbung soll die Problematik der Textsorten bzw. Textdifferenzierungen näher beschrieben werden.

2.2.2 Der Textbegriff

Die "Werbung" wird im Alltag in den verschiedensten Erscheinungsformen präsentiert. So gehört auch in Indonesien Reklame in Rundfunk und Fernsehen, auf Plakaten und in Zeitungen und Zeitschriften zum normalen Leben des Konsumenten. Vor allem begründet in der Materiallage32 muß sich diese Arbeit auf die Untersuchung von Werbung in Printmedien, insbesondere auf Zeitschriften beschränken. Zur Abgrenzung dieser Art von Werbung soll in diesem Kontext der Begriff der Textsorte gebraucht werden, dessen Einführung einer grundlegenden Definition des Textbegriffes bedarf. Dieser Terminus wird in der sprachwissenschaftlichen Literatur sehr verschieden definiert. Ein umgangssprachliches Verständnis von "Text" ist sicherlich weitgehend anzutreffen. Begründet in der Komplexität und Vielfältigkeit der Erscheinung "Text", erwies es sich allerdings als unpraktikabel, eine komplexe und verwissenschaftlichte Definition des Begriffes zu erstellen. Eine handhabbare Lösung für dieses Dilemma bietet die Beschäftigung mit einzelnen Textsorten (bzw. Texttypen), für die sich nach verschiedenen Kriterien bestimmte Strukturmerkmale festlegen lassen.33 Vor der weiteren Beschäftigung mit anderen Aspekten dieses Lösungsansatzes folgen hier noch einige relevant erscheinende Bemerkungen zum Thema Text und zu den grundlegenden Differenzierungen, die in der linguistischen Literatur diskutiert werden. Die dort vorgenommene Hauptdifferenzierung ist die zwischen dem Text als rein sprachlichen Element und einem weiter gefaßten Textbegriff, der neben den sprachlichen auch außersprachliche Elemente einbezieht. Als Vertreter des ersten Ansatzes definiert z.B. Brinker Text als "eine begrenzte Folge von sprachlichen Zeichen, die in sich kohärent ist und die als Ganzes eine erkennbare kommunikative Funktion signalisiert."34 Aber auch die schon etwas weiter gefaßte Definition von Michel u.a., bei denen es heißt: Text ist das "...sprachliche Produkt einer Kommunikationshandlung... [und] ...Stück mündlicher oder schriftlicher Äußerung, die nach einem Kommunikationsplan in seiner Einheit von intentionalen, gegenständlich-thematischem und operationalem Aspekt zur Lösung einer bestimmten Kommunikationsaufgabe gestaltet ist."35 Auf den Kontext der Werbung paßt insbesondere der von Michel vertretene Ansatz, vor allem durch seine Betonung der Kommunikationshandlung, da Werbung den dedizierten Zweck verfolgt, den Konsumenten zum Kauf des Produktes zu bewegen, und damit den Handlungscharakter des Textes offensichtlich werden läßt.
Eine für die Zwecke dieser Arbeit sinnvolle Erweiterung des Textbegriffes findet sich im zweiten der oben erwähnten Ansätze. Die Verallgemeinerung des Textbegriffes durch die Einbeziehung außersprachlicher Elemente spielt bei der Anzeigenwerbung in Zeitschriften, insbesondere durch die hier häufig verwendeten Bilder, die oft einen beträchtlichen Teil der Anzeige ausmachen, eine erhebliche Rolle. Vertreter dieser erweiterten Textauffassung sind beispielsweise Klein (1972) und Hennig / Huth (1975). Die von diesen zum Teil sehr weit gefaßten Textbegriffe sind hier nur partiell relevant, da für das betrachtete Material zahlreiche der unter den Textbegriff subsumierten Elemente (z.B. Gestik und Geräusche) für drucktechnisch verbreitetes Material nicht oder nur im gebrochenen Kontext der abgebildeten Form36 relevant sind. Die Erweiterung des Textbegriffes um das Mittel der bildlichen Darstellung erweist sich dafür allerdings als essentiell, da die Gesamtaussage einer durchschnittlichen Anzeige nur in der Einheit von Bild und Textmaterial dargestellt werden kann. Einige der ebenfalls für das Verständnis wichtigen Randbedingungen werden hier nicht in den Textbegriff einbezogen. Dazu gehören Angaben über das Zielpublikum des Druckerzeugnisses insgesamt und die Einbettung der Anzeige in den weiteren (redaktionellen) Kontext. Als begründend für diese Unterteilung sei hier die räumliche Trennung (umgebender Text und Anzeige) und die für den Leser nicht offensichtliche Zielgruppenintention37 angeführt. Desweiteren ist der Begriff der Funktion eines Textes ein wichtiger und interessanter Ausgangspunkt für die weitere Betrachtung. Der Terminus der Textfunktion wird hier, der Definition von Brinker folgend38, im Sinne der vom Auftraggeber intendierten Intention der Anzeige verstanden. Diese Problematik läßt sich in Richtung auf die verschiedenen Ebenen der Absicht weiter differenzieren. Dominierend hierbei ist die appellative Funktion39 des Textes. Sie dürfte auch auf seiten des Lesers zu einer (gelernten) Erwartungshaltung gegenüber Anzeigen geführt haben. Andere Funktionen, die innerhalb einer Anzeige realisiert werden können, sind z.B. die Erinnerungswerbung, die beim Rezipienten vorhandenes Wissen über bzw. von einem Produkt reaktiviert, und die insbesondere für gut eingeführte Markenartikel betrieben wird, oder die generelle Werbung einer Firma für ihren Namen, die Imagewerbung. Diese wird vorrangig zum Aufbau eines gewissen Markenbewußtseins beim Rezipienten betrieben, der die in der Werbung dargestellten Inhalte (Bilder, Slogans, etc.) als Hintergrundwissen bzw. ihm vertrautes Image der werbenden Firma / Marke 'verinnerlichen' soll.

2.2.3 Das Konstrukt "Textsorte"

Die Ansätze zur Differenzierung von Textsorten sind vielfältig. Sie reichen von generativen Formelketten (mit geringer Differenzierungskraft (z.B. J. S. Petöfi)) über prädikatenlogisch orientierte Versuche bis zu Versuchen der Abgrenzung durch Merkmalsopposition aus dem Textgebrauch. Hans Glinz stellte 1972 einen verschiedene Ansätze berücksichtigenden und recht annehmbaren Gruppierungsvorschlag für Textsorten vor. Bei ihm finden sich die folgenden fünf Typen.40 Aus dieser Darstellung läßt sich das Verhältnis zwischen der (hier betrachteten) Printwerbung und dem redaktionellen Kontext gut erkennen. Es läßt sich feststellen, daß ein Wechsel der Textsortengruppe in der Präsentation der Werbung stattfindet. Der Konsument, der das entsprechende Printmedium rezipiert, muß sich darauf einstellen. Dieser Wechsel spielt für die Rezeption der Anzeige eine nicht unwesentliche Rolle. Er findet zwischen der Gruppe fünf (öffentlich darstellende Texte), die sich dem Rezipienten zur einfachen Konsumption anbietet, und in der Regel keine Abwehrhaltung hervorruft, und der Gruppe zwei (führende Texte), statt. Diese Gruppe verlangt ein Eingehen des Rezipienten auf deren Propositionen bzw. auf eine kritische Auseinandersetzung mit diesen. In dieser Situationalität41 der Anzeige gründen z.B. in Deutschland verschiedene Bestimmungen, die eine allzu enge Verknüpfung zwischen redaktionellem Text und Anzeige verhindern sollen. So ist die Schaltung einer Anzeige für ein Produkt nicht zulässig, wenn auf derselben Seite ein sich mit dem Produkt befassender redaktioneller Bericht erscheint.
Aus dem oben umrissenen Funktionsumfang des Werbetextes und aus seiner Einordnung in ein allgemeines Modell der Textsorten und deren Gruppierung soll hier für die in dieser Arbeit untersuchte Form der Werbung die Textsorte "Anzeige" eingeführt werden. In diesem Kontext definiert Brinker den Begriff wie folgt: "Textsorten sind konventionell geltende Muster für komplexe sprachliche Handlungen und lassen sich als jeweils typische Verbindung von kontextuellen (situativen), kommunikativ funktionalen und strukturellen (grammatischen und thematischen) Merkmalen beschreiben."42 Die Anzeige kann also, durch Anwendung dieser Definition und durch die Berücksichtigung folgender Merkmale von anderen Textsorten abgegrenzt werden:
kontextuelle Merkmale Einbettung in das Medium Zeitschrift, die dort anzutreffenden Bezüge zum umgebenden Text
-gedruckte Erscheinungsform
-monologische Kommunikationsrichtung
-öffentliche Kommunikation
kommunikativ-funktionale Merkmale appellativ, werbend
-auf ein (Handlungs-)Ziel orientiert
-auf eine Personengruppe orientiert
strukturelle Merkmale -freie Struktur, kaum formalisierbar
-Slogans
-die Struktur ist einzig dem Handlungsziel unterworfen

Tabelle 1 Abgrenzungsmerkmale von Textsorten
Dieser Überblick ist als Arbeitsdefinition gedacht, er ermöglicht es recht zuverlässig, Anzeigen von anderen Textsorten (wie z.B. Bekanntmachungen, Aufrufen, Essays, Belletristik etc.) zu differenzieren. Es soll allerdings in diesem Zusammenhang nochmals betont werden, daß der zugrundeliegenden Struktur das oben eingeführte, um außersprachliche Elemente erweiterte Textverständnis als Basis dient. Insbesondere ist hiermit gemeint, daß das verwendete Bildmaterial43 integraler Bestandteil der Anzeigen ist.

2.2.4 Die Kommunikationssitation

Dieser Begriff ist theoretisch schwer faßbar, da er von einer Vielzahl von Faktoren abhängig ist. Für eine spezifische Kommunikationshandlung läßt sich jedoch ein überschaubarer Katalog relevanter Aspekte erstellen. Die folgende Übersicht enthält die für das hier betrachtete Kommunikat "Werbung" relevanten Angaben.
Kommunikationsteilnehmer beidseitig anonym (da Massenkommunikation) Rezipientengruppe abhängig vom Werbeträger (überregio nal, Fachzeitschrift etc.)
Reichweite -ebenfalls abhängig vom Werbeträger
Rezeptionsdauer rezipientenabhängig
Rezeptionsort / -situation -häusliche Atmosphäre
-Verkehrsmittel, Büro
-mit ungeteilter Aufmerksamkeit
Partnerkontakt und Kodierungsart -visuell
-Kodierung in Photo, Text, Grafik, Zeichnung
Verfügbarkeit und Rezeptionsart -beliebig lange, oft Zeitschriften länger als Zeitungen
-abhängig vom Rezipienteninteresse und dessen individueller Rezeptionssituation
Darstellungsmöglichkeit Bewegungsabläufe nicht darstellbar (außer in schematisierter Form)
-Bilder erleichtern produktbezogene Werbung
Tabelle 2 Situationale Aspekte der Kommunikationshandlung "Werbung"44
Die Charakterisierung der Merkmale der Kommunikationshandlung "Werbung" ergibt für die hier vorzulegende Untersuchung folgendes Bild: der Aspekt von Rezipient und Werber ist mangels der Verfügbarkeit entsprechender soziometrischer Erhebungen nur in Ansätzen darstellbar. Die Reichweite der jeweiligen Werbung entspricht der Verbreitung der Zeitschriften.
Diese ist abhängig von vor allem materiellen Gegebenheiten, auf die weiter unten45 eingegangen wird. Die zweifellos faszinierenden Probleme der Rezeptionsdauer, -art und -situation sollen und können hier nicht untersucht werden, da sie ausgiebige Feldforschungen voraussetzen und zur Klärung der interessierenden sprachlichen Fragen nur wenig beitragen können. Besonderes Augenmerk hingegen wird den Darstellungsmöglichkeiten und ihrer Verwendung und dem Problem von Partnerkontakt und Kodierungsart zukommen. So ist Werbung eine Form der Massenkommunikation (ähnlich wie: Literatur, Film und Fernsehen), da sie über einen großen, dem Sender (Autor) weitgehend unbekannten Empfängerkreis verfügt und da face-to-face Kommunikation vermieden wird.46 Außerdem ist anzumerken, daß durch die große Streuung nur eine stark selektive Rezeption angenommen werden kann. Auch hat Printwerbung durch die bleibende Verfügbarkeit des Mediums den Vorteil der ständigen Reproduzierbarkeit der Information.

2.2.5 Stilistische Betrachtungen

Die linguistische Forschung im Bereich der Stilistik ist in ihrer modernen Ausprägung stark interdisziplinär orientiert. Insbesondere für Klassifizierungen von Textsorten, die für die Abgrenzung der hier behandelten spezifischen Sprache der Werbung als essentiell eingeführt wurden47, sind stilistische Überlegungen und Verfahrensweisen von Bedeutung. Begründet in dieser speziellen Aufgabe, die der Stilistik hier gestellt wird, kommen zahlreiche ältere und den umganssprachlichen Gebrauch bestimmende Bereiche der Stilkunde für die Anwendung nicht in Frage. Dazu zählt insbesondere der normative bzw. präskriptive Bereich, denn es soll ja nicht darum gehen, Vorschriften oder Regelungen zu entwickeln, sondern eher darum, mittels des wissenschaftlichen Apparates Aussagen über die spezifischen stilistischen Merkmale der hier untersuchten Sprache zu treffen. Unter Zuhilfenahme verschiedener moderner Ansätze kann also gesagt werden, daß eine moderne Stilkonzeption ethnomethodologisch48 orientiert, sprachhandlungstheoretisch motiviert und funktionalkommunikativ fundiert sein sollte.49 Berücksichtigt werden muß auch, daß Stil impliziten Charakter hat, daß sich also der Stil nicht an definierbaren Elementen festmachen läßt, sondern erst im Zusammenspiel zwischen verschiedenen textuellen Aspekten implizit erzeugt wird. Bezugnehmend auf obige Stilkonzeption soll hier eine der etablierten Stiltheorien kurz dargestellt werden. So versteht Stöckl50 Stil im Sinne einer Zweckorientierung mit dem Ziel, Handlungstypen für die Durchführung einer konkreten Kommunikationshandlung anzupassen, und damit die (Kommunikations-) Handlung effektiver und erfolgreicher auszuführen. Daraus läßt sich auch die Relationsstruktur von Stil erklären. Stilelemente entfalten ihre Wirkung erst und nur in ihrer Verbindung zu der Handlungsabsicht eines Textes, und somit ist Stil auch nur in der Verbindung von Rezipientenerwartung und Textrealisierung in einer konkreten Situation faßbar. Für den spezifischen Stil der Werbung schwächt sich die Bedeutung dieser Relationserwartung allerdings ab, da es zum inhärenten Interesse der Werbung zählt, die Aufmerksamkeit des Rezipienten immer wieder neu zu erregen, und daher die auf dessen Seite bestehenden Erwartungshaltungen immer wieder zu durchbrechen. Deshalb kann sich kein eindeutiger Stil für diesen Texthandlungstyp manifestieren. Begründet in der obigen Wirkungsdefinition läßt sich das Stilsystem in einem Drei-Ebenen-Modell darstellen. Die grundlegende Ebene ist die Stilstruktur, in die sämtliche Bestandteile51 des jeweiligen Kommunikates einfließen. Darauf aufbauend folgt die analytische Kategorie des stilistischen Sinnes, die das beinhaltet, "was Stil zum Ergebnis der Handlung beiträgt".52 Dies ist als das Vollziehen einer Verbindung zwischen der sprachlichen Handlung und der rezeptiven Handlungssituation zu verstehen, somit sorgt der Stil also für die Anpassung des Textes an die Situation. Die dritte Ebene dieses Modells ist die der Stilwirkung, hierbei werden die Aspekte betrachtet, durch die der Stil zu den Folgen der (Kommunikations-) Handlung beiträgt. Zusammenfassend können die drei Ebenen also folgendermaßen dargestellt werden:
Stilstruktur stilistischer Sinn Stilwirkung
-Aufbau des Kommunikates -Beitrag zum Kommunikationsergebnis (textintern) -Beitrag zu den Kommunikationsfolgen (textextern)
Tabelle 3 Ebenen der Stilbetrachung
Bezieht man dieses Modell auf die Werbung, so kann hier als Aufgabe gestellt werden, durch konkrete Stilanalysen zu ermitteln, welche Stiltypen im Handlungsmuster Werbung zur Erreichung des Textzieles (Schaffung bzw. Änderung entsprechender Handlungsdispositionen in bezug auf das beworbene Produkt) dienen, und durch welche Stilwirkungen sie instrumentalisiert werden. Der konkrete Erwerb des Produktes kann in diesem Fall nicht als Validierungsmittel herangezogen werden, da entsprechende Korrelationen nicht schlüssig nachweisbar sind.53
Die Variabilität des Modells wird deutlich, wenn man die große Unabhängigkeit der drei eingeführten Stilaspekte betrachtet. So ist die Abhängigkeit der Stilfunktion von der Stilstruktur allgemein betrachtet nicht formalisierbar. Allerdings sollte es bei einer gut abzugrenzenden Textsorte, die die Werbung zweifelsohne darstellt, möglich sein, einige Tendenzen zu den Wirkungsmechanismen aufzuzeigen, zumal für diese Textsorte ein Handlungsziel relativ gut begründet werden kann. Dies soll im Kapitel vier geprüft werden. Insbesondere auf eine nähere Fassung der Stilwirkung aufgrund ihrer Bedeutung für die Werbung soll im folgenden näher eingegangen werden.

2.2.6 Stilwirkung

Der Text in der Werbung ist, wie oben bereits kurz erwähnt, einem gut konkretisierbaren Ziel, nämlich dem der Einstellungsbeeinflußung des Konsumenten zugunsten des Produktes, unterworfen. Das führt zu der Schlußfolgerung, daß sämtliche im Text verwendeten struktur- und sinnstiftenden Stilmittel in mehr oder weniger direkter Weise im Sinne dieses Zieles verwendet werden. Dadurch wird die Möglichkeit eröffnet, jene Mittel in ihrer Funktionalität für die entsprechend beabsichtigte Handlungsänderung zu prüfen, und sie auf der Grundlage dieser zu klassifizieren. Die Stilwirkung als Teil der Gesamtwirkung der Anzeige läßt sich unter anderem psychoanalytisch begründen. Die Wirkung der Anzeige basiert nach dieser Annahme auf zwei, im grundlegenden Sozialisationsprozeß herausgebildeten Reaktionsmustern. Dies sind: Aus diesen Grundannahmen lassen sich verschiedene Vorstellungen von einem Produkt ableiten, die es zu bewerben gilt. Dazu zählen bei der Konsumgüterwerbung unter anderem die des Genußspenders, des omnipotenten Helfers oder der Verkörperung von Gruppen- und individuellen Idealen. Damit lassen sich unter Voraussetzung der obigen Annahmen entsprechende Reaktionsmuster aktivieren. Genereller Kritikpunkt ist hier die Ausklammerung der Lebenserfahrung und der dadurch geprägten Bedürfnisstruktur. Diese Art von Ansätzen läßt sich nur sehr bedingt anwenden, zumal, begründet in der (relativen) Anonymität der Konsumentenseite ein genaueres Eingehen auf die psychischen Prozesse des / der Rezipienten nicht erfolgen kann. Größeren Erfolg durch die Anwendung dieser und weiterer psychologischer / psychoanalytischer Techniken bleibt der Direktwerbung vorbehalten, bei der eine unmittelbare Interaktion zwischen Werber und Konsument dem Werbenden die Erlangung eines tieferen Einblickes in die individuelle Bedürfnisstruktur verschaffen kann. Einen besseren Ansatz bietet hier zweifelsohne die Persuasionsforschung, die die schwer verallgemeinerbaren innerpsychischen Prozesse ausklammert und die Wirkungsmechanismen unter dem Einfluß von besser faßbaren und vor allem auch gut generalisier- und gruppierbaren Einstellungen und Meinungen handhabbar machen will. Grundanliegen ist hier, sich die Prozesse und Teilstufen, die zu einer Überzeugung des Rezipienten führen, klarzumachen, und diese dann in der Umsetzung der entsprechenden Anzeigen zu finden. Diese Funktionen können z.B. so dargestellt werden:
Funktion Erläuterung Realisierung
Aktivierung von Aufmerksamkeit und Interesse Die verwendeten Mittel wecken das Interesse für den jeweiligen Kommunikationsakt auffällige Überschriften
-typographische Besonderheiten
-Neologismen
Verständlichung Der Rezipient soll die zu übermittelnde Botschaft rational nachvollziehen können. -Lexik mit Zielgruppenbezogenheit prägnante Argumentationsstrukturen
-rhetorische Figuren (Methapher, Analogie, Wiederholung etc.)
Akzeptanz Die Glaubwürdigkeit der Aussagen soll dem Rezipienten vermittelt werden Maximen, Sprichwörter
-Beweise (Autorität, Exemplifikation, Gegenüberstellung) direkt auffordernde Sprechakte
Behalten und Erinnern Dem Rezipienten soll die vermittelte (positve) Produktnachricht im Gedächtnis bleiben, bzw. aufgefrischt werden Reim, Alliteration, Ellipse, Wiederholung, Wortspiele Schaffung assoziativer Verbindungen (z.B. durch Bilder)
Vorstellungs-aktivierung Der Rezipient soll die Verwendung des beworbenen Produktes imaginieren, und dadurch Bedürfnis und positive Assoziation schaffen -häufige Methaphern Integration narrativer Elemente
-gezielter Tempusgebrauch (Futur) Bildverwendung
Ablenkung / Verschleierung Die Aufmerksamkeit des Rezipienten soll von der eigentlichen Textaussage entfernt werden, um die Fähigkeit zur Entwicklung von Gegenargumentationen zu beschränken. -humoristische Elemente (Witz, Ironie, Parodie, Wortspiel)
-Vergleiche (durch Beispiel) -Kombination von Wissensrahmen
Attraktivität Die Rezeption soll (intellektuelles) Vergnügen bereiten und unterhalten. -rätselhafte Formulierungen komplizierte Text-BildVerknüpfungen
Tabelle 4 Teilfunktionen des persuasiven Prozesses54
Die in der obigen Tabelle vorgestellten sieben Teilfunktionen des persuasiven Prozesses decken diesen in breiter Weise ab. In der Analyse ergibt sich jedoch die Problematik, eine scharf Trennung zwischen ihnen zu vollziehen, da, wie aus Spalte drei ersichtlich, sich die Mittel einiger der erwähnten Funktionen überschneiden. Eine exakte Trennung ist hier, wenn überhaupt, nur im Kontext möglich. Außerdem werden mit Sicherheit nicht alle dieser Funktionen in jeder Anzeige zu finden sein, da der Werbende mit Blick auf Produkt und Zielgruppe eine dedizierte Auswahl treffen muß. Die Funktionen sind also in diesem Sinne als Angebote zu verstehen. Sie können relativ beliebig und auswählend miteinander kombiniert werden, und entziehen sich dem Versuch, eine strukturelle Notwendigkeit in ihrer Abfolge festzumachen. Diesen Einschränkungen folgend, sollten allerdings bei einer Konstanz der Nebenbedingungen Zielgruppe und Produkt zumindest gewisse Tendenzen hinsichtlich festzustellen sein. Um diese Konstanz zu gewährleisten, wird es hier für sinnvoll erachtet, Produkte einer bestimmten Gruppe (z.B. Computer) gezielt zu untersuchen, da zum einen die Produktkonstanz gegeben ist, und zum anderen auch hinsichtlich der Zielgruppe eine entsprechende Konstanz vermutet werden kann, da sich das Produkt aufgrund seiner recht spezifischen Anwendungsmöglichkeiten nicht für eine breite Streuung eignet.

2.3 Holistische Analysemethoden

Insbesondere in der englischen und amerikanischen Fachliteratur sind Ansätze zu finden, die Anzeigenwerbung primär als gesamtheitliches Problem betrachten. Dies entspricht in etwa dem oben erläuterten und hier verwendeten weiten Verständnis von Textkommunikaten, in das alle Formen textueller und nichttextueller Form einfließen. Die aus diesem Ansatz resultierenden Möglichkeiten der Betrachtung von in gedruckten Massenmedien erscheinenden Werbekommunikaten werden im folgenden kurz betrachtet. Für eine konzise Darstellung findet hier das bewährte Buch von Greg Myers55 Verwendung, das sich insbesondere mit verschiedensten sprachlichen Problemen und Formen innerhalb der Anzeigenwerbung befaßt. In seiner Einleitung definiert er sechs Punkte, die ihm für die sprachliche Betrachtung von Anzeigen als relevant erscheinen: Diese Punkte sind in anderer Form bereits in den obigen Ausführungen enthalten. Sie lenken das Augenmerk jedoch insbesondere auf die durch den textuellen Zusammenhang hergestellten Beziehungen zwischen Werber und Geworbenem. Interessant ist auch die im 3. Punkt zu findende Feststellung, daß die Anzeigen ein eigenes (Text-) Genre bilden. Dies entspricht der oben getroffenen Abgrenzung der Werbung als selbstständiger Textsorte.
Für den Vergleich kultureller Kontexte leistet die historische Betrachtung der Entwicklung der Anzeigen einen interessanten Beitrag. Zahlreiche der in Kapitel vier untersuchten indonesischen Werbungen weisen ein für den die europäische Werbung gewohnten Betrachter hohes Maß an Konservativität auf, das sich unter Berücksichtigung der Geschichte der westlichen Werbung als Aufholprozeß interpretieren läßt. Die Entwicklung, die die Konsumten der westlichen Welt durchlebt haben, muß im Fortgang der Angleichung der Lebensstandards auch von den indonesischen Konsumenten durchlebt werden. Aufgrund der bestehenden Entwicklungsunterschiede58 ist eine Homogenität des Anzeigenmarktes nicht zu erwarten. Vielmehr werden alle verschiedenen Entwicklungsstufen, insbesondere auch unter Beachtung der jeweiligen Zielgruppe, vertreten sein. Myers macht auf ein weiteres Problem der Analyse aufmerksam:
We could not make sense of ads unless we came to them with experiences of various discourses. That is why the ads of a different culture or subculture or a different period can be so strange to us.59
Diesem Faktor muß insbesondere für fremde Kulturen, wie es die indonesische ist, verstärkt Rechnung getragen werden. Dies verlangt von Seiten des Auftraggebers, also der werbenden Firma, besondere Obacht. Beispiele für die Nichtbeachtung kultureller Rezeptionsunterschiede, des Zielmarktes und der Verwendung sinnentstellender Übersetzungen sind z.B.: Für das Korpus konnten Fehler dieser Art nicht nachgewiesen werden. Auf die Betrachtung verschiedener Anzeigen wurde allerdings aus der Erkenntnis einer hohen Kulturspezifik verzichtet, die sich vorwiegend aufgrund der mangelnden Faktenbasis respektive nicht verfügbaren Hintergrundwissens zu verschiedenen Themata ergibt. Die Konzentration auf die im Korpus beschriebenen Anzeigen erscheint in diesem Zusammenhang als dahingehend vorteilhaft, daß diese sich begründet in einem gewissen Maß an Internationalität bzw. in der Beziehung auf diese sich auch von mir als nicht kulturell im Erscheinungsgebiet Verwurzeltem weitgehend entschlüsseln lassen. Innerhalb der oben angesprochenen historischen Betrachtung werden allerdings (und zu recht) auch Faktoren untersucht, die für den Stand der Werbung in Indonesien keine Rolle spielen. Dazu zählt vor allem die Problematik für was geworben wird. Außer Frage steht, daß dies nicht mehr von der Entwicklung der Produktion abhängig gemacht werden kann. Es stehen vielmehr (insbesondere für "exotische" Länder wie Indonesien) die kulturellen Besonderheiten im Vordergrund.61 Die von Myers getroffene Differenzierung der Geschichte der Anzeigen umfaßt drei Hauptperioden62: Für alle drei Punkte lassen sich in der indonesischen Werbung Beispiele finden, deren Häufigkeit stark nach dem beworbenen Produkt und der (vermuteten) Zielgruppe differiert. Außerdem treten die drei Punkte in oft schwer zu analysierenden Mischformen auf. Genauere Angaben dazu finden sich bei ausgewählten Beispielen im vierten Kapitel.

2.3.1 Die Funktionsweise von Slogans

Begründet in seiner Bedeutung als Aufmerksamkeitsanker kommt den innerhalb des Slogans verwendeten Mitteln ein hohes Interesse zu. In dieser Funktion können alle Möglichkeiten der Sprache zur Geltung kommen, da, wie oben ausgeführt, die Textsorte Werbung in ihrer Abgrenzung die Möglichkeit und Notwendigkeit der Verwendung nicht formalisierter Ausdrucksmittel vorsieht. Um die Aufmerksamkeit des (potentiellen) Konsumenten zu erregen, bieten sich Formulierungen an, die die Erwartungshaltung des Konsumenten gegenüber einem normalen Ausdruck durchbrechen. Für diese Technik werden je nach Richtung des Bruches verschiedene Fachtermini verwendet. Wird eine unerwartete Regelmäßigkeit benutzt, spricht man von Parallelismus. Erscheint eine unerwartete Unregelmäßigkeit, verwendet man den Begriff der Deviation.64 Für das Bild, welches die indonesischen Anzeigen in ihrer Gesamtheit abgeben, zeigt sich die Nutzung einer fremden Sprache (i.d.R. des Englischen) als Hauptmittel gezielter Erwartungsbrechung. Diese Kondition kann als beigeordnetes Merkmal der jeweiligen konkreten sprachlichen Mittel verstanden werden. Zu diesen zählen viele aus der Rhetorik und der Lyrik bekannten Figuren, u.a. Assonanz, Alliteration, Reim, Homophonie, Stimmlage und Intonation. Die beiden letzten spielen in gedruckten Werbekommunikaten eine nahezu unbedeutende Rolle, da ihre Verwendung letztlich auf eine über eine Graphik vermittelten Intonationsintention beruht, deren korrekte Enkodierung durch den Konsumenten nicht gewährleistet werden kann. Deshalb wird im Printmedienbereich diese Erscheinung unter das Mittel des "Catchy Print"65 subsumiert. Weitere Besonderheiten des Druckbereiches sind die Verwendung seltener Buchstaben oder eine absichtlich falsche oder ungewöhnliche Schreibung.

2.3.2 Der erläuternde Text

Dieses Merkmal gedruckter Anzeigen ist nicht universell. Es existieren zahlreiche Kampagnen, die ohne weitere Erörterungen auskommen, als Beispiel sei hier die Tagheuer-Serie genannt.66 Erläuternder Text wird, pauschal formuliert, bei Anzeigen verwendet, in denen das beworbene Produkt einer Erklärung bedarf. Diese Aussage ist mehrdeutig zu interpretieren. Die Entscheidung, ob und wie Text verwendet wird, ist abhängig von der Intention des Werbenden bzw. dem Aufbau der aktuellen Kampagne, von dem beworbenen Produkt und aus der Kombination beider Überlegungen von der gewünschten Zielgruppe. So kann Einzelproduktwerbung für Luxusgüter oft auf Text verzichten, da es primär nicht auf die Produktvorzüge, sondern auf den mit dem Beworbenen verbundenen emotionalen Hintergrund ankommt. Enthält die Anzeige weiterführenden Text, kann dieser nach verschiedenen Klassifikationen untersucht werden. Diese sind nicht zuletzt von der Länge des Textes abhängig. Für gedruckte Anzeigen bietet sich die ausführliche Darstellung der Vorteile des beworbenen Produktes an, in auditiv unterstützten Formen der Werbung spielt das Gespräch eine wichtige Rolle. Die Sätze des Textes können hinsichtlich ihres Satztypes untersucht werden, die grundlegenden Typen sind Aussage, Aufforderung, Frage und Ausruf. In der satzübergreifenden Betrachtung werden die Beziehungen zwischen den Sätzen untersucht, hier kann durch Verfahren wie Parallelismus, Ellipsen, Ersetzungen und Unvollständigkeit eine die Sätze verknüpfende Wirkung erzielt werden, die u.U. durch eine Deviation wieder gebrochen wird, und so ein verstärktes Maß an Aufmerksamkeit erzielt.
Die obigen Ausführungen zur analytischen Betrachtung von Satzstrukturen geben Aufschluß über die Beziehung zwischen dem Werber / Sprecher und dem von diesem intendierten Zielpublikum,67 da sie bestimmend für die Art und Weise sind, in der der Konsument angesprochen wird, bzw. in der versucht wird, das Interesse am Produkt zu wecken.

2.3.3 Personalisierungen

Die Form der Anrede ist für das Verständnis verschiedener vom Werber intendierter Aspekte unabdinglich. Dazu zählen die Problemfelder der Zielgruppe ebenso wie die der beworbenen Produktkategorie. Als Spezifik der indonesischen Werbung konnten zwei Faktoren herausgearbeitet werden: Die in den indoeuropäischen Sprachen weitgehend zu konstatierende Doppeldeutigkeit einer in der Wir-Form getroffenen Aussage68 entfällt im Indonesischen aufgrund der dort innerhalb der Personalpronomen getroffenen lexikalischen Dichotomie zwischen exklusivem und inklusivem 'wir' (kami vs. kita). Referiert der Werbende sich selbst, so ist nach den impliziten Formen der Höflichkeit in der indonesischen Sprache zu erwarten, daß dies nur in seltenen Fällen in Form einer direkten Aussage (im Stile von: Wir haben / versprechen / etc.pp. Ihnen...) erfolgt. Im Normalfall wird die der höflichen Sprachform besser entsprechende indirekte Form einer Selbstreferenz, die Objektkonstruktion, verwendet werden.

2.3.4 Verwendete Sprachen

Wenn eine Firma in ihren Anzeigen Sprachen Raum einräumt, die nicht der Hauptsprache (bzw. Staatssprache) des Landes entsprechen, in dem die Anzeige erscheint, dann ist davon auszugehen, daß damit ein bestimmter Effekt erzielt werden soll. Wie bereits unter dem Kapitel 2.3.1 erwähnt, ist die Verwendung des Englischen in indonesischen Anzeigen überaus gebräuchlich. Insbesondere höherwertige Investitionsgüter (PKW, Luxusgüter [Schmuck]) weisen dieses Merkmal auf. Originär indonesische Waren hingegen werden zumeist mit durchgängig indonesischen Anzeigen beworben. Spiele mit den verwendeten Fremdsprachen, die in der westlichen Werbewelt durchaus üblich sind (z.B. gezielt falsches Wortgut, das Imitieren des russischen Alphabetes durch gedrehte Darstellung von N und R) konnten für die untersuchten Indonesischen Anzeigen nicht festgestellt werden. Die Funktionweise der englischen Slogans erklärt sich aus dem Versuch der Werber, damit die Zielgruppe in ihrer Selbstwahrnehmung von anderen abzuheben, und ihr damit zu schmeicheln. Das vom Werber intendierte Selbstverständnis kann vielleicht so formuliert werden: Ich (als Leser) verstehe Englisch, die Anzeige wendet sich an mich. Desweiteren wird durch die Verwendung der englischen Sprache ein Lebensgefühl beworben. Insbesondere bei Luxusgütern werden hier westliche Konsumvorstellungen tradiert, es wird versucht, diese dem indonesischen Publikum, insbesondere über die Funktion des Erfolges, als erstrebenswert zu suggerieren. Hier sind die Autoanzeigen ein gutes Beispiel, die immer wieder versuchen, den Besitz bzw. das Fahren des beworbenen Autos als direkte Folge und sogar Notwendigkeit persönlichen Erfolges darzustellen. Einschlägige Untersuchungen für den japanischen Markt ergaben eine evidente Kausalität zwischen verwendeter Sprache und Werbeintention. Die Verwendung des Englischen ist Symbol für Qualität und Nützlichkeit, Französisch soll Produkten zu Eleganz, Geschmack und Charme verhelfen.69

2.3.5 Gespräche in Anzeigen

Die Verwendung von Diskursen in der Werbung wird zumeist mit dem Ziel eingesetzt, die Anzeige aus dem ihr inhärenten persuasiven Kontext herauszunehmen, und die Vorteile des Beworbenen in einem normalen Umfeld darzustellen. Diese Slice-of-life-Werbungen70 verwenden das Produkt im normalen Leben, oder sie reden in einer realistischen Kommunikationssituation über das Produkt. Die Strategie dieser Anzeigen besteht darin, dem Konsumenten zu zeigen, wie gut es Personen geht, die das Beworbene verwenden, und ihm damit zu sagen, daß es ihm ebenso gut gehen würde, wenn auch er das Produkt benutzt. Die Möglichkeiten der Umsetzung dieser Strategie im Druck ist allerdings begrenzt. Sie gehört zu den Techniken, die (zumindest in der untersuchten) indonesischen Printwerbung keine Rolle spielen. Über die Gründe für den Verzicht auf diese Technik kann nur spekuliert werden. Mit Sicherheit handelt es sich um ein Konglomerat aus mehreren Motiven. So steht zu vermuten, daß beim Zielpublikum diese Technik auf Unverständnis stoßen würde. Sie paßt nicht mit dem gestellten Informationsanspruch zusammen. Desweiteren wird es Bedenken gegen die öffentliche Darstellung von Privatheit geben. Die Vorstellung zu suggerieren, die Anzeige stelle ein zufällig mitgeschnittenes Gespräch dar, stößt sicher nicht auf Gegenliebe bei der Bevölkerung. In Anbetracht der Größe der Republik spielt ebenfalls das Problem der Findung geeigneter Prototypen für die Anzeige eine Rolle, denn diese Technik wirkt nur, wenn sich der Konsument mit einer der dargestellten Rollen soweit identifiziert, daß er vom Vorgespielten Rückschlüsse auf sich zieht bzw. Verhaltensweisen übernimmt.

2.3.6 Sprachliche Bilder

Die Klassifizierung der einzelnen Formen dieses Gestaltungsmittels beruht auf den aus der römisch griechischen Rhetorik bekannten sprachlichen Effekten. Einige der für Anzeigen interessanten sind: Die Wirkungsmechanismen, die diesen Stilfiguren zugrundeliegen, können schnell sehr komplex werden. Hier sei auf die Analyse der BMW-Anzeige72 verwiesen, die mit der Methaper Motor <-> Orchester arbeitet. In der indonesischen Literatur ist die Verwendung insbesondere von Methaphern sehr gebräuchlich. Diese zeichnen sich obendrein durch eine sehr starke Bildhaftigkeit mit hohem Abstraktionsniveau aus. Die effektivesten Verwendungsmöglichkeiten ergeben sich vor allem in der Kombination mit entsprechendem Bildmaterial. Diese Verknüpfungen zu analysieren ist für den kulturfremden Leser ein besonderes Problem,73 und kann im Rahmen dieser Arbeit nur in Ansätzen versucht werden. Allerdings konnte festgestellt werden, daß, soweit einschätzbar, die Verwendung dieser Mittel in den untersuchten Anzeigen sehr beschränkt ist. Diese zeichnen sich vielmehr durch eine zumeist sehr sachliche (manchmal auch pseudowissenschaftliche) Argumentation aus.

2.3.7 Abbildungen

Alle in dieser Arbeit untersuchten Anzeigen verwenden Bilder. Diese spielen eine Hauptrolle in der Realisierung der persuasiven Funktion der Anzeigen und stellen oft auch die größten Herausforderungen hinsichtlich der Frage ihrer funktionellen Bedeutung dar. Warum werden Bilder verwendet? Myers gibt hierauf mehrere Antworten, so z.B. "pictures do not lie"74 oder "A [...] argument for using pictures in ads is that people can't argue with them"75. Das erste Zitat ist sicher nicht treffend, jeder normal sozialisierte weiß, daß im Bildbereich eine unerschöpfliche Fülle an Manipulationsmöglichkeiten existiert, dieses Wissen ist mit Sicherheit auch für das indonesische Publikum vorauszusetzen. In Verbindung mit dem zweiten Zitat erhält die Aussage allerdings eine nicht mehr zu widerlegende Bedeutung, wird doch daraus klar, daß das bloße Wissen um die Manipulierbarkeit von Bildmaterial noch nicht dazu angetan ist, den Umgang mit Abbildungen zu klären, es schützt den Leser nicht vor der Aussage des Bildes, und es ist, eben aufgrund der zitierten Argumentationsschwäche nahezu unmöglich, sich gegen eine Bildaussage rational zu schützen. Desweiteren wird der Leser durch sich nicht trivial erschließendes Bildmaterial dazu angeregt, sich bis zum Verständnis mit der Anzeige auseinanderzusetzen.76 Insbesondere für diesen Fall enthält die Text-Bild Verknüpfung ein gewaltiges Interpretationspotential, da der Leser gezwungen ist, den Text zu dem ihm anfänglich unverständlichen (bzw. unpassenden) Bild in eine Beziehung zu setzen, die der gesamten Anzeige einen Sinn gibt. Diese erzwungene längere Beschäftigung mit der Anzeige kann aus psychologischer Sicht nur als in höchstem Maße wünschenswert betrachtet werden, da "eine Werbeanzeige im Durchschnitt lediglich zwei Sekunden lang betrachtet wird"77, und mit steigender Rezeptionszeit zumindest eine verbesserte Erinnerungsleistung zu erwarten ist. Zur Steigerung dieses Effektes dient auch die sorgfältige Gestaltung des Layouts. Als durchschnittliche Angaben für Bildanzeigen gilt so z.B., daß das Bild ca. 2/3 der Anzeigenfläche einnimmt, daß (so vorhanden) die Spaltung zwischen oberem und unterem Bildteil die Spaltung zwischen ideal / real oder zwischen vorher / nachher manifestiert, und daß eine ausdrückliche Teilung zwischen links / rechts der Satzstruktur folgend die Thema / Rhema Teilung nachvollzieht.78 79 Ein weiterer Aspekt im Bereich Text-Bildkommunikate ist die Verzahnung des Textes mit dem Bild in dem Sinne, daß sich das Verständnis des Textes nur durch den im Bild dargestellten Schlüssel ergibt, der kognitive Sinn des Textes also im Bild verankert ist. Eine diffizilere Variante ergibt sich, wenn erst das abwechselnde Studium beider Verfahrensweisen einen Rückschluß auf das beworbene Objekt ermöglicht.80 Auch diese Formen des Umgangs mit Bildmaterial sind in der indonesischen Werbepraxis unüblich, die, wie bereits ausgeführt, Wert auf eine stringente Argumentation legt. Einige der Verfahren, die im Rahmen der Textbetrachtung besprochen wurden, sind auch für die Entschlüsselung des entsprechenden Bildmaterials hilfreich. Dazu zählen das Hervorheben bestimmter Bildelemente (z.B. durch gezielt unscharfen Hintergrund81), die Verwendung assoziativer Bildelemente ähnlich den Methaphern und die Abbildung klischeehafter Darstellungen (z.B. von "heiler Welt"). Es können auchsuggestive Bildelemente verwandt werden, die die Aufmerksamkeit des Betrachters erregen, aber im dazugehörigen Text gebrochen werden.82

2.3.8 Werbeeffekt und Publikum

Diese Thematik gehört zu den kompliziertesten innerhalb der vielfältigen Untersuchungsgebiete, die die Werbung bietet. Das ist in der Branche auch bestens bekannt, so zitiert Myers einen Werbefachmann:
"Only the very brave or the very ignorant (preferably both) can say exactly what it is that advertising does in the market place"83
In diesem Zitat ist die Problematik gut beschrieben. Auch heute noch, trotz wesentlicher Fortschritte insbesondere der verschiedenen involvierten psychologischen Disziplinen,84 sieht sich die Wirkungsforschung vor massive Probleme gestellt. So kann beispielsweise die in westlichen Ländern von der Werbewirtschaft ausgeübte Selbstkontrolle85 nur vor der Schaltung entsprechender Anzeigenserien reagieren, bezüglich der Wirkung der Werbung ist sie auf ihre eigene bzw. die Einschätzung der entsprechenden Agentur angewiesen. Das dies nicht immer funktioniert hat insbesondere die Benetton-Kampagne86 wiederholt gezeigt. In der Diskussion um die Klärung bestimmter Wirkungsfragen haben sich drei verschiedene Sichten auf das Publikum entwickelt.
Danach kann das Publikum entweder als freies Individuum, als Produkt der es beeinflussenden ideologischen Strukturen oder als aktives, interpretationsfähiges betrachtet werden.87 Aus diesen Sichten entspringen verschiedene Strategien der Werbung. Steht in der ersten die persuasive Funktion des Textes im Vordergrund, versucht die zweite Lebensgefühl bzw. die dahinterstehenden ideologischen Überlegungen zu vermarkten und erst die dritte stellt den Konsumenten als selbstbestimmendes Subjekt in den Vordergrund. Dieser dritten Ansicht sind Anzeigen zu verdanken, die sich selbst "nicht so ernst nehmen", in der Analyse allerdings insbesondere hinsichtlich der implizierten sozialen Kontexte problematisch sind, die außerhalb des entsprechenden Kulturkreises oft nicht einmal in Ansätzen nachvollzogen werden können.